20.12.2022
Andreas Fedorzuk

Im Interview erzählt SWM Geschäftsführer Andreas Fedorczuk, ob in Deutschland wirklich schon bald die Lichter ausgehen und was jede und jeder Einzelne für eine stabile Stromversorgung tun kann.

Herr Fedorczuk, ist die Angst vor einem Blackout Panikmache oder ein realistisches Szenario?

Aus meiner Sicht: eher Panikmache. Die Nutzung des Begriffs „Blackout“ ist übertrieben und wird fast schon missbräuchlich genutzt. Viele Medien springen auf das Thema, dabei würde man bei seriöser  journalistischer Aufbereitung schnell zu einer ebenso seriösen – allerdings nicht ganz so „spannend, spektakulär“ anmutenden – Einschätzung kommen.

Wieso ist das Thema so in den Fokus gerückt?

Die vier großen Netzbetreiber (Amprion, 50Hertz, TransnetBW und TenneT, Anm. d. R.) machen seit Jahren – auch schon vor dem Ukrainekrieg – einmal im Jahr eine sogenannte Bedarfsanalyse analog zu dem gerade zusätzlich durchgeführten „Stresstest“. Thema hier unter anderem: Reichen die Erzeugungskapazitäten – auch in Zeiten, in denen kein Wind weht und keine Sonne scheint? Da wurde übrigens schon 2018 festgestellt, dass für Deutschland eine Mangelsituation bereits 2023 nicht auszuschließen ist. Hintergrund: Ausschaltung der letzten Kernkraftwerke. Diese Bedarfsanalyse wurde nun angesichts der aktuellen Entwicklungen als sogenannter Stresstest mit verschärften Annahmen durchgeführt.

Wir halten den Blackout für nahezu ausgeschlossen.

Wie ist Ihre Einschätzung? Sind wir von einem Blackout weit entfernt?

Ein Blackout ist ein unkontrollierter großflächiger Totalausfall des Stromnetzes über mehrere Tage. Wir halten den Blackout für nahezu ausgeschlossen. Aber natürlich verändern die eingeschränkten  Gaslieferungen sowie die Situation um die Lieferfähigkeit der französischen Kernkraftwerke die aktuelle Situation erheblich: Gerade Gaskraftwerke werden in Engpasssituationen zum Ausgleich der schwankenden Erzeugung von Wind- und Sonnenanlagen genutzt. Denn sie kann man schnell hoch- und runterregeln.

Was könnte konkret auf uns zukommen?

Die Ergebnisse des aktuellen Stresstests zeigen, dass es in Ausnahmesituationen zu regionalen Engpässen kommen kann. Dies jedoch nur einige wenige Stunden im Winter. Deswegen könnte es zu regional kurzfristigen Maßnahmen kommen. Das wäre jedoch kein klassischer Stromausfall, sondern ein kontrollierter Eingriff, um die Netze zu stabilisieren und die Versorgung zu sichern. Im technischen Fachjargon wird  das übrigens „Brownout“ genannt: kontrollierte stundenweise Teilnetzabschaltungen beziehungsweise Lastabwürfe. Dies würde im ersten Schritt bedeuten, dass im Vorfeld vertraglich gesicherte Leistungen bei  Großverbrauchern abgeschaltet werden. Erst wenn alle geordneten Maßnahmen zur Verringerung der Last ausgereizt sind, käme es zu einem Lastabwurf.

Was hieße ein Lastabwurf für Magdeburg? Sind wir gut vorbereitet?

Seit mehreren Jahren arbeiten neun Verteilnetzbetreiber auf der Hochspannungs-Ebene – auch wir, Netze Magdeburg – mit dem Höchstspannungsnetzbetreiber 50Hertz zusammen. Auf Basis möglicher Szenarien entwickeln wir Maßnahmen zur Sicherung und Wiederherstellung einer zuverlässigen Stromversorgung. Auch die Abläufe für das Szenario „nicht ausreichender Stromerzeugung“ überprüfen wir in jährlichen Trainings und entwickeln sie weiter. Dadurch sind wir auch für den unwahrscheinlichen Fall gut vorbereitet, dass in der Stadt Magdeburg ein Lastabwurf durchgeführt werden muss. Bei so einem Lastabwurf werden einzelne Teilnetze, die die Größe eines Stadtteils haben, nacheinander für wenige Stunden vom Stromnetz genommen. So kommt es zu möglichst kurzen Versorgungsunterbrechungen für jeden einzelnen Kunden.

Die Sorge der Menschen, ihre Wohnung nicht ausreichend heizen zu können, verstehen wir.

Eine Frage, die auch immer im Kontext „Netzstabilität“ gestellt wird: Kommt es zu Problemen, wenn auf einmal viele Magdeburger:innen elektrische Heizlüfter einsetzen?

Die Sorge der Menschen, ihre Wohnung nicht ausreichend heizen zu können, verstehen wir. Eine Überlastung unserer Netze durch den Einsatz von Heizlüftern sehe ich nicht vorrangig. Probleme sehe ich eher bei der Leistungsfähigkeit der Hausanschlüsse, der eigenen Hausnetze, insbesondere bei den Mehrfamilienhäusern. Deren Stromleitungen sind für diese hohe Netzlast – wenn es abends alle muckelig haben wollen und ihre Lüfter gleichzeitig anstellen – oft nicht ausgelegt. Dann kann es zu einer Überlastung kommen, und im Hausflur bleibt es dunkel. Das ist dann Sache des Eigentümers.

Zum Schluss, haben Sie noch einen Rat für uns?

Wir wissen, die Situation ist für alle extrem anspruchsvoll – aber wir müssen damit umgehen. Wir sind davon überzeugt, dass beim Energiesparen noch Luft nach oben ist. 10 bis 15 Prozent Energie einsparen sollte für viele – ohne allzu großen Komfortverzicht – machbar sein. Es sollte jedem bewusst sein: Jede und jeder Einzelne kann durch die Reduktion des eigenen Verbrauchs einen Beitrag leisten. Auch wenn sich der einzelne Beitrag vielleicht gering anfühlen mag und man das Gefühl hat, dass dies nicht viel helfen kann. Aber, viele kleine Schritte – vor allem gemeinsam – führen auch zum Ziel.